Bund will 4.500 Kilometer CO2-Pipeline in Deutschland
Berlin (energate) - Die Überlegungen für eine CO2-Pipeline in Deutschland werden konkreter. Eine solche Pipeline ist Teil des Entwurfs für eine Carbon-Management-Strategie (CMS) der Bundesregierung. Der 57-seitige Entwurf mit dem Datum 11. September liegt energate vor. Demnach könnte im Bundesgebiet bis 2045 eine Pipeline mit einer Gesamtlänge von 4.500 Kilometern für den Transport von CO2 entstehen. Die Länge deckt sich in etwa mit vorherigen Studien vonseiten der Industrie. Diese hatte für eine Netzlänge von 4.800 Kilometern allein für die drei Industriesektoren Zementproduktion, Kalkindustrie und Abfallverbrennung geworben, allerdings schon bis 2035.
Ziel der CMS ist es, einen Rahmen zu schaffen für die Nutzung von Technologien zur Abscheidung von CO2, zum Transport und Speicherung des Gases (Carbon Capture and Storage, CCS) sowie seiner Nutzung (Carbon Capture and Utilization, CCU). Dies betrifft vor allem Branchen mit schwer beziehungsweise nicht vermeidbaren Emissionen. Ein CO2-Leitungsnetz gilt dafür als wichtige Voraussetzung. Denn die Pipeline soll künftig große Industrie-Cluster in Deutschland verbinden.
Das Wirtschaftsministerium nennt in seinem Papier als Beispiele unter anderem das Ruhrgebiet, das Rhein-Neckar-Gebiet, die Zementindustrie in Nordrhein-Westfalen sowie das mitteldeutsche Chemiedreieck, mit den Häfen Wilhelmshaven und Brunsbüttel sowie den europäischen Nachbarländern (insbesondere Eemshaven, Zeebrugge, Antwerpen und Rotterdam). Ausgediente Erdgasleitungen könnten laut Ministerium dafür auch zum Einsatz kommen. Überlegungen zu CO2-Kavernenspeichern sollen frühzeitig in die Überlegungen für eine künftige Infrastruktur einfließen.
Unbundling auch im CO2-Markt
In Sachen Regulierung spricht sich das Wirtschaftsministerium zunächst für einen marktbasierten Ansatz aus. Das könnte sich aber noch ändern. So will der Bund gemeinsam mit der Bundesnetzagentur frühzeitig prüfen, ob eine vertikale Trennung der Wertschöpfungsstufen sinnvoll ist, denn eine nachträgliche Entflechtung der Betreiberstrukturen sei kompliziert und nur mit hohem Aufwand umsetzbar. Auch soll eine stärkere Regulierung verhindern, dass peripher gelegene Standorte mit kleineren Abscheidemengen benachteiligt sind.
Um den Aufbau der Infrastruktur zu überwachen, soll es schon ab 2025 jährliche Monitoringberichte geben. Dafür wird die Bundesregierung auch eine eigene Arbeitsgruppe mit dem Namen "AG CO2-Infrastruktur" einsetzen. Wissenschaft, Industrie, Netzbetreiber und NGOs sollen vertreten sein. Die AG soll vor allem auch die Wechselwirkungen der CO2-Infrastruktur mit Strom-, Gas- und H2-Netzen im Blick haben.
Arbeitsgruppe CO2-Speicherung
Eine weitere Arbeitsgruppe wird es zum Thema CO2-Speicherung geben. Diese hat nochmal deutlich mehr Zeitdruck. Denn die Modellierung der CMS zeige, dass Deutschland vor 2030 mit der CO2-Speicherung beziehungsweise dem CO2-Export beginnen muss, um die Klimaziele zu erreichen. "Daher sollen erste Abscheideprojekte noch vor 2030 in Betrieb gehen", heißt es im Entwurf. Basierend auf den heutigen Marktentwicklungen sei absehbar, dass Speicherstätten dann lediglich in Norwegen, Dänemark oder den Niederlanden zur Verfügung stehen werden. Um nicht in eine Abhängigkeit zu geraten, spricht sich der Bund auch für die Entwicklung eigener Lagerstätten aus. Das würde von der Antragstellung über die Erkundung, Genehmigung und die technische Umsetzung bis zu zehn Jahre dauern, rechnet das Wirtschaftsministerium.
Insgesamt 41 Maßnahmen
Insgesamt nennt das Ministerium in seinem Entwurf 41 konkrete Maßnahmen für die Umsetzung der Carbon-Management-Strategie. Neben Transport und Speicherung bilden CO2-Standards, also zu Zusammensetzung, Reinheit, Druck und Temperatur, ein wichtiges Thema. Weitere Punkte sind die Einbindung der Nutzung von CO2 in das europäische System des EU-ETS, ein Herkunftsnachweissystem für verschiedene CO2-Ströme, Sicherheitsstandards, Monitoringsysteme und die kommunikative Begleitung für den Aufbau einer solchen neuen Infrastruktur.
Erste Eckpfeiler zu der CMS hatte der Bund bereits im Mai veröffentlicht, der nun vorgelegte Entwurf differenziert diese nun näher aus. Ebenfalls im Mai hatte die Bundesregierung für den rechtlichen Rahmen den Entwurf der Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) im Kabinett verabschiedet. Das sogenannte CCS-Gesetz wurde von Umweltorganisationen kritisiert, da es auch Gaskraftwerken die CO2-Abscheidung erlaubt. Es befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren. Gefördert werden können CCUS-Projekte über die zweite Gebotsrunde für Klimaschutzverträge. Hier hat das Wirtschaftsministerium Ende Juli das Vorverfahren gestartet. /ml/ck