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Bremst das Netz den Speicherboom aus?

Berlin/Essen (energate) - Auf den deutschen Strommarkt rollt der Speicherhochlauf zu. Nach Branchenschätzungen wird sich die installierte Kapazität von stationären Großspeichern allein bis Ende 2026 auf rund 3.600 MWh versiebenfachen. Inzwischen stößt der Markt jedoch an seine Grenzen. "Netzanschlüsse stellen absehbar das größte Bottleneck im Speichermarkt dar", sagte Thomas Antonioli, Gründer und CFO des Start-ups Terra One, im Interview mit energate. Insofern gehe er davon aus, "dass der Markthochlauf deutlich langsamer verlaufen wird, als man das derzeit aus den Ankündigungen schließen könnte."

 

Speicherboom fördert Wettbewerb

 

Den Hauptgrund für den Speicherboom sieht Antonioli in den massiv gesunkenen Einkaufspreisen für Speichertechnik. Über die letzten zwei bis drei Jahre hätten sich die Gesamtkosten eines Speichersystems mindestens halbiert. "Das macht natürlich den Business Case viel interessanter", so der Terra-One-Gründer. Zudem sieht er aufgrund des starken Zubaus an volatilen erneuerbaren Energien "einen gewissen Aufholbedarf" Deutschlands gegenüber anderen Märkten, wo sich Speicher schon eine feste Position im Strommarkt erobert hätten.

 

Eine Ausgangslage, die auch Begehrlichkeiten bei konkurrierenden Unternehmen auslöst. Dem steigenden Wettbewerb sieht Antonioli dennoch gelassen entgegen. Mehr Wettbewerb bedeute auch, dass "viele verschiedene Unternehmen daran arbeiten, das Vertrauen der Investoren und Finanzierer herzustellen", argumentierte der Terra-One-CFO. Zugleich komme mehr Innovation in den Markt, wenn verschiedene Player Vermarktungsmodelle und Set-ups in der Praxis erproben, so Antonioli weiter.

 

Nicht alles Gold, was glänzt

 

Zugleich sei in Deutschland auch der Bedarf an Speichertechnologie und Flexibilität vorhanden. Antonioli verwies auf eine Studie des Fraunhofer Ise, die für Deutschland einen Bedarf an Speicherkapazitäten von etwa 180 GWh bis 2040 sieht. Verschiedenen Medienberichten zufolge lagen allein den vier Übertragungsnetzbetreibern zum Jahreswechsel Anschlussanfragen mit 226.000 MW Leistung vor. Die rosigen Aussichten musste Antonioli jedoch einschränken. Er gehe davon aus, dass "in der Realität weniger Projekte durchkommen werden, als aktuell im Markt angekündigt werden". Zum einen seien die Netzanschlusskapazitäten begrenzt, zum anderen "lauern in der Umsetzung noch viele Hürden, die Projekte verzögern, gerade bei den Baugenehmigungen oder eben den Netzanschlüssen", warnt Antonioli.

 

BVES wittert "Goldgräberstimmung"

 

Diese Position teilt auch Urban Windelen, Geschäftsführer des Bundesverbands Energiespeicher Systeme (BVES). Zwar sei der Markt derzeit in "Goldgräberstimmung", die durch einzelne Unternehmen forciert werde. In der Realität stehe der deutsche Speichermarkt jedoch noch immer vor zahlreichen regulatorischen Hürden und Herausforderungen, erläuterte Windelen im Gespräch mit energate. Insbesondere das Positionspapier zu den Baukostenzuschüssen der Bundesnetzagentur war Windelen zum wiederholten Male ein Dorn im Auge. Speicher einzig als Verbraucher einzuordnen, sei eine schwerwiegende Fehleinschätzung der Bundesnetzagentur und widerspreche der Position des OLG Düsseldorf, so Windelen.

 

Auch bei den Anschlussanfragen positionierte sich der BVES-Geschäftsführer klar. "Die kursierenden Anschlussanfragen entbehren jeder Realität und übersteigen die anzunehmende Realität um bis das Zehnfache", klagte Windelen. Denn um sich die begehrten Netzanschlüsse frühzeitig zu sichern, würden Speicherunternehmen bis zu zehn Anfragen für ein und dasselbe Speicherprojekt stellen, so der BVES-Geschäftsführer weiter. In der Realität sei der deutsche Batteriespeichermarkt "noch immer sehr klein". Für realistisch hält Windelen eine zusätzlich installierte Batterieleistung zwischen 1.500 und 2.000 MW bis Ende 2026.

 

Terra One sieht sich dennoch auf Kurs

 

Trotz dieser Herausforderungen sieht Antonioli das eigene Unternehmen auf Kurs. Bislang erhielt das Start-up fünf Baugenehmigungen für eigene Speicherprojekte. In sieben bis acht Monaten sollen dann die ersten Projekte ans Netz gehen, zeigte sich Antonioli optimistisch. Bis Ende 2026 will das junge Unternehmen eine Speicherkapazität von 1.000 MWh in Bau oder Betrieb haben - vorausgesetzt natürlich, dass die dafür benötigten Netzanschlusskapazitäten bereitstehen. /rb/rh

 

Das gesamte Interview mit Terra-One-Gründer Thomas Antonioli lesen sie im heutigen Add-on Strom.

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