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Beschaffung: Der Trend geht zur Eigenerzeugung

Essen (energate) - Energiekrise und Dekarbonisierungsdruck haben die Beschaffung von Strom und Gas nachhaltig verändert. Im Bereich Strom wird die Eigenerzeugung für Industrieunternehmen eine immer wichtigere Rolle spielen. Darüber waren sich die Teilnehmer einer Diskussionsrunde auf dem energate-Forum "Industry meets Energy" in Essen einig. "Mach so viel, wie es geht auf dem Betriebsgelände", sagte etwa Sebastian Bolay, Bereichsleiter Energie, Umwelt und Industrie bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Ähnliches rät den Unternehmen auch Christian Otto, Geschäftsführer des Verbands der Energieabnehmer (VEA), der vor allem die mittelständische Industrie vertritt. "Alles, was ich selbst produzieren kann, sollte ich auch selbst machen."

 

"Massive zusätzliche Kosten"

 

Hintergrund sind die im europäischen Vergleich weiterhin hohen Energiekosten in Deutschland. Zwar sind die Preise auf den Großhandelsmärkten für Strom und Gas seit den Hochzeiten der Energiekrise wieder deutlich gesunken. Allerdings werden verschiedene Parameter die Kosten für die Energieversorgung wieder in die Höhe treiben, warnten die Industrievertreter in Essen. Dazu gehören vor allem steigende Netzentgelte sowie der CO2-Preis. "Da müssen wir den Unternehmen auch endlich mal reinen Wein einschenken, es wird teurer werden", fand Otto deutliche Worte. DIHK-Vertreter Bolay teilte diese Meinung, er sprach von "massiven zusätzlichen Kosten". So könnten sich mit dem Einstieg in den europäischen Emissionshandel ETS II die Beschaffungskosten für Unternehmen verdoppeln.

 

BASF: PPA und eigenes Portfolio

 

Auch der Chemiekonzern BASF hat sich die Frage "Make or Buy" im Rahmen seiner umfassenden Dekarbonisierungsstrategie schon gestellt. Das Ergebnis: Bei dem immensen Strombedarf des Chemieriesen, der sich mit der Elektrifizierung der Produktionsprozesse perspektivisch verdreifachen wird, muss es beides sein. Vor rund fünf Jahren hat BASF das erste Power Purchase Agreement (PPA) mit dem dänischen Energiekonzern Ørsted für Grünstrom aus dem Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 3 abgeschlossen. "Das war zu dem Zeitpunkt noch gar nicht so einfach", blickt Horatio Evers, Geschäftsführer der BASF Renewable Energies, zurück. Darüber hinaus gibt es ein PPA für spanische Onshore-Windkraftanlagen von Engie.

 

Laufzeit von 25 Jahren

 

"Im Moment sind wir sehr happy mit den Verträgen, die wir geschlossen haben", sagt Evers mit Blick auf die Preisgarantie für den Strombezug von 25 Jahren. Um das eigene grüne Portfolio auszubauen, nimmt die BASF aber mittlerweile auch verstärkt Beteiligungsmodelle ins Visier. So hatte das Unternehmen erst Ende April Verträge mit dem Energiekonzern Vattenfall über eine 49-Prozent-Beteiligung an den geplanten Offshore-Windparks Nordlicht 1 und 2 in der deutschen Nordsee unterzeichnet. Es ist bereits das zweite gemeinsame Projekt der beiden Unternehmen. 2021 hatte der Chemiekonzern ebenfalls knapp die Hälfte der Anteile am Offshore-Windpark Hollandse Kust Zuid in der niederländischen Nordsee übernommen. Zudem will die BASF in China grünen Offshore-Strom zusammen mit einem heimischen Unternehmen produzieren.

 

Globaler Einfluss auf die Preise steigt

 

Eine Best Practice möchte Evers anderen Unternehmen nicht mitgeben, am Ende sei es eine Frage des individuellen Risikomanagements. Auch die Veränderungen im Gasmarkt durch den Umstieg von russischem Pipelinegas auf einen globalen LNG-Markt tragen dazu bei, dass sich die Unternehmen in ihrer Beschaffung mehr mit dem Thema Risikoanalyse auseinandersetzen müssen, sagte Gregor Pett, CCO Global Analytics & Technology bei Uniper Global Commodities. Es brauche aus seiner Sicht noch mehr Verständnis aufseiten der Unternehmen, dass sich globale Ereignisse nun viel stärker auf die europäischen Preise auswirkten. Hier gelte es, die Beschaffungsstrategien, insbesondere für Gas, viel stärker darauf auszurichten.

 

"Beschaffung wird hartes Brot"

 

Die Beschaffung von Energie wird in jedem Fall eher komplexer werden und ein Thema, mit dem sich die Unternehmen stärker auseinandersetzen müssen, so der Tenor der Diskussionsrunde. "Beschaffung wird ein hartes Brot werden", sagte etwa DIHK-Vertreter Bolay. Das gelte nicht nur für Strom und Gas, sondern ebenso für die künftige Beschaffung von Wasserstoff, wo es aktuell noch an Infrastruktur mangelt und auch die Ausgestaltung der Preise noch vollkommen unklar ist. Hier wünschen sich die Industrievertreter mehr Engagement von staatlicher Seite. "Der Staat muss massiv in die Infrastruktur gehen", so Bolay. In Ansätzen geschehe dies über das vorgesehene Amortisierungskonto für das Wasserstoffkernnetz. Insgesamt sei das aber zu wenig, um bei den Industrieunternehmen die bestehenden Unsicherheiten bezüglich der künftigen Verfügbarkeit von Wasserstoff auszuräumen. /ml

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