BASF: Mit Erdwärme zu dekarbonisiertem Prozessdampf
Karlsruhe/Essen (energate) - Die Industrie hat zunehmend Interesse an der Erdwärmenutzung. Ein Beispiel dafür ist der Chemieriese BASF. Gemeinsam mit dem Explorationsunternehmen Vulcan Energy will der Konzern das Potenzial tiefer Geothermie an seinem Stammwerk in Ludwigshafen untersuchen. Hierzu haben die beiden Projektpartner nun eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet. Die Erdwärme soll dazu beitragen, den Standort in Rheinland-Pfalz mit grüner, grundlastfähiger Energie zu versorgen und damit unabhängiger von fossilen Energieträgern und ihren Preisschwankungen zu machen.
300 MW thermische Leistung in Ludwigshafen
"Wir wollen unseren Standort Ludwigshafen in Zukunft mit CO2-freiem Dampf versorgen. Neben Abwärmequellen aus unseren Produktionsanlagen wollen wir auch erneuerbare Wärmequellen aus geothermalen Strukturen in Betracht ziehen", sagte Uwe Liebelt, President Europäische Verbundstandorte der BASF, anlässlich der jüngst erfolgten Unterzeichnung. Der Oberrheingraben hat mit seinen geologischen Formationen grundsätzlich ein großes geothermisches Potenzial. Die Projektpartner rechnen für den Standort Ludwigshafen eigenen Angaben zufolge mit einer potenziellen Leistung von 300 MW thermischer Energie. Die Nutzung der Erdwärme würde im Vergleich zur jetzigen Produktion rund 800.000 Tonnen CO2-Emissionen im Jahr einsparen.
Anfragen aus der Industrie nehmen merklich zu
Das Chemieunternehmen BASF ist aber nicht das einzige, das für seine grüne Transformation die Erdwärme in den Blick nimmt. So haben beim Geothermie-Projektierer DMT aus Essen zuletzt - auch als Reaktion auf die Gaskrise - die Nachfragen und der Beratungsbedarf von Industriekunden merklich zugenommen, wie Boris Dombrowski, stellvertretender Leiter Geo-Energie und Ressourcen bei der Tüv-Nord-Tochter, im Gespräch mit energate ausführte. Der Einsatzbereich der Erdwärme könne dabei vielfältig sein. Infrage kämen "alle Unternehmen mit einem Wärmebedarf von bis zu 150 Grad Celsius oder denen die Nutzung von Dampf ausreicht", erklärte Dombrowski. Als Beispiel nannte er unter anderem die Lebensmittel- oder Papierindustrie.
Die Papierherstellung ist eine der energieintensivsten Branchen Deutschlands. Zur Produktion der enormen Wärmemengen für die Trocknung des Papiers nutzen die Hersteller noch größtenteils fossile Energieträger. Wie die Papiertrocknung mit Erdwärme funktionieren kann, soll das Projekt "Kabel Zero" des Herstellers Kabel Premium Pulp & Paper aus dem nordrhein-westfälischen Hagen zeigen.Das Unternehmen verbraucht eigenen Angaben zufolge rund 550 Mio. kWh Wärme im Jahr. Diesen Bedarf will es künftig über Erdwärme decken.
Neues Forschungsprojekt gestartet
Das Potenzial der Erdwärme auf dem Weg in eine grünere Industrie gilt als hoch. "So lässt sich allein in Deutschland ein Viertel des industriellen Prozesswärmebedarfs über Geothermie decken", sagte kürzlich Professor Erik Saenger vom Fraunhofer IEG anlässlich des Starts des Forschungsprojektes "Geoheat". Bislang gibt es aber nur vereinzelt Beispiele, wo solche Vorhaben tatsächlich umgesetzt sind. Es sind weiterhin die hohen Kosten, lange Projektlaufzeiten und das Fündigkeitsrisiko, welches die Unternehmen oder Investoren abschrecken. Hier will das neue EU-Projekt ansetzen und die geothermische Exploration verbessern. Die Forschenden haben das Ziel, Voruntersuchungen möglicher Reservoirs zu vereinfachen und kostengünstiger zu machen. Gleichzeitig soll das Projekt die Qualität der Informationen verbessern, die während des Bohrvorganges anfallen und so den wirtschaftlichen Erfolg steigern.
Stadtwerke Frankenthal und Ludwigshafen beteiligen sich
Die Risiken und hohen Kosten von Geothermieprojekten halten bisweilen auch noch viele Energieversorger davon ab, bei der Dekarbonisierung ihrer Wärmeversorgung Erdwärme zu nutzen. Die Stadtwerke aus Ludwigshafen und Frankenthal haben in dem Fall nun Glück und können das Thema gemeinsam mit der BASF als großen industriellen Partner angehen. Beide Versorger wollen sich an dem Vorhaben beteiligen, um später ebenfalls Nutznießer der Erwärme zu sein.
Vulcan Energy will zusätzlich Lithium gewinnen
Wirtschaftlicher soll das Gesamtvorhaben zudem durch die Gewinnung von Lithium werden. Vulcan Energy plant den Bau einer Extraktionsanlage zur Produktion von grünem Lithium. Das Thermalwasser des Oberrheingrabens weist eine hohe Konzentration des Leichtmetalls auf, das vor allem zur Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus beispielsweise für Smartphones, Laptops oder Elektroautos zum Einsatz kommt. Für das künftig in Ludwigshafen produzierte Lithium hat Vulcan Energy vor allem die deutsche und europäische Batterie- und Automobilindustrie als Abnehmer ausgemacht. Für das Explorationsunternehmen ist die Lithiumgewinnung mittlerweile ein neues Geschäftsfeld vor dem Hintergrund der weiter zurückgehenden Erdöl- und -gasförderung in Deutschland. Erst kürzlich hatte Vulcan Energy in Frankfurt die Produktion im Testbetrieb gestartet.
Davon ist das Projekt in Ludwigshafen allerdings noch weit entfernt. Im nächsten Schritt sollen nun erst einmal seismische Messungen folgen. Die ersten Erkundungen sind für Anfang 2025 geplant. /ml