Automatisierung prägt Stromhandel zunehmend
Essen (energate) - Der Stromhandel ist im Wandel. Automatisierung, Digitalisierung und immer kürzere Handelskontrakte haben das Geschäft verändert. "Die Zeit des manuellen Tradens ist vorbei", resümierte daher Domenico De Luca, Head of Trading & Sales bei dem schweizerischen Energiekonzern Axpo, im Interview mit energate. Daran hat auch der massive Zubau der erneuerbaren Energien seinen Anteil. "An den Strombörsen zeigt sich die zunehmende Volatilität", erklärte De Luca. Zwar geben Preisschwankungen Raum für Spekulation. Gleichzeitig werde es aber "immer schwieriger", im Markt Ineffizienten zu finden und so Gewinne zu erwirtschaften, führte De Luca weiter aus.
Besonders deutlich wird der Einfluss des automatisierten Handels im kontinuierlichen Intraday-Handel an der Epex Spot. Dort sind die automatisierten Lösungen sehr relevant, weil es um kurzfristige und schnelle Reaktionen der Fundamentaldaten geht. 2024 stammten 87 Prozent der gehandelten Aufträge aus automatisierten Anfragen, 2020 waren es ebenfalls bereits 71 Prozent. Deutlicher werden die Verschiebungen im gehandelten Volumen. Vor fünf Jahren stammten noch 54 Prozent des gehandelten Volumens aus manuellen Quellen. Im vergangenen Jahr wuchs der Anteil automatisierter Anfragen auf 70 Prozent an, wie energate auf Anfrage erfuhr.
15-Minuten-Kontrakte: Handel wird komplexer
Auch die Umstellung auf 15-Minuten-Kontrakte im Day-Ahead an der Epex Spot wird nach Ansicht De Lucas den Handel verändern. Für kleinere Akteure beginne mit der Umstellung eine "Phase der Konsolidierung", ist sich De Luca sicher. Denn die Umstellung ist kostenintensiv. Die Axpo habe Millionen in ihre Systeme investiert, um sich auf die Neuerung vorzubereiten. Denn die kürzeren Zeitkontrakte zwingen Unternehmen dazu, ihre Prozesse zu automatisieren und zu digitalisieren. "Die Datenmenge wird viel größer, wird viel komplexer", schilderte De Luca. Für Großkonzerne seien diese Capex-Kosten stemmbar, aber die Einstiegshürden in den Markt nehmen zu. "Die Fragmentierung des Markts wird in Folge der zunehmenden Komplexität sicherlich abnehmen, da werden einige Player nicht hinterherkommen", ist sich De Luca sicher.
Auch im langfristigen Handel zeigen sich Einfluss von KI und Digitalisierung
Doch nicht nur der kurzfristige Handel wird durch die Automatisierung der Prozesse komplexer. Auch der langfristige Handel befindet sich durch den Einfluss Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung im Wandel. "Sowohl der kurzfristige als auch der langfristige Handel haben sich seit der Energiekrise massiv verändert", bestätigte Stefan Küster, Geschäftsführer des Handelsspezialisten Enerchase, im Gespräch mit energate.
Zur Illustration dieses Wandels verwies Küster auf das anstehende Osterfest. An den Feiertagen kommen demnach verschiedene Faktoren zusammen, die den Handel an diesen Tagen komplexer und risikoreicher machen. So ist die Stromnachfrage an Feiertagen traditionell niedriger. Das verstärkt jedoch den Effekt von überschüssiger Sonnenenergie und sorge so für mehr Volatilität. "Deutschland könnte auf einen neuen Negativstunden-Rekord im Frühjahr 2025 zusteuern", zeigte sich Küster besorgt.
Solarzubau zeigt Ostern seine Wirkung
Denn der Rekordzubau an Solarenergie im Jahr 2024 werde an Ostern erstmals seine volle Wirkung zeigen - auch deshalb, weil Ostern in diesem Jahr besonders spät ist. Im vergangenen Jahr war Ostern früher, weshalb die damals angefallenen Negativstunden noch ins erste Quartal fielen, diesmal werden sie jedoch im zweiten Quartal sichtbar. Während das zweite Quartal 2024 165 Stunden mit negativen Strompreisen verzeichnete, werden für das zweite Quartal 2025 bereits 277 Stunden erwartet. Die Branche gucke daher "mit Spannung" auf Ostern, um die Entwicklungen einzuordnen. "Ostern wird ein Lackmustest für die Energiewende", ist sich Energiespezialist Küster sicher. /rh
Das vollständige Interview mit Domenico De Luca und seinem Kollegen Andy Sommer lesen Sie im Add-on Strom.