Aufbau eines neuen Fernwärmenetzes wird zum Kraftakt
Frankenthal (energate) - Der Fernwärmenetzausbau wird eine anspruchsvolle Aufgabe für Kommunen und ihre Versorger. Insbesondere in Gebieten, wo noch kein Fern- oder Nahwärmenetz liegt, grüne Wärmequellen aber dafürsprechen, ist dies ein Kraftakt. "Unsere Kultur muss sich in den nächsten drei Jahren so verändern, dass ein neues Energiefeld darin Platz findet", erläuterte der Geschäftsführer der Stadtwerke Frankenthal, Volkmar Langefeld, im Interview mit energate. Dafür sei ganz viel interne und externe Kommunikation und Arbeit nötig.
Das rheinland-pfälzische Frankenthal ist ein gutes Beispiel für die vielen anderen kleinen und mittleren Gemeinden, in denen bisher fast ausschließlich Öl- und Gasheizungen die Wärmeversorgung übernehmen. Noch nicht einmal ein Fünftel der deutschen Haushalte heizt mit Fernwärme. Laut einem gemeinsamen Gipfelbeschluss der Bundesregierung mit Vertretern von Verbänden und Gewerkschaften soll sich die Anzahl der angeschlossenen Gebäude bis 2045 verdreifachen. Im Schnitt wären dies 100.000 neue Anschlüsse im Jahr.
Um das Klimaziel in Frankenthal zu erreichen, wären pro Jahr etwa acht bis neun Kilometer Neubau nötig. Klingt nach wenig, ist es aber nicht: "Die realistische Zahl liegt bei der Hälfte", ordnete Langefeld im Gespräch mit energate ein. Seine Kollegin Johanna Philippi, die als Leiterin Geschäftsentwicklung zuständig ist und mit der Klimabeauftragten der Gemeinde eng zusammenarbeitet, beschreibt die vielen praktischen Fragen: Welche Gebiete kommen als erste ans neue Netz, gibt es vor Ort genug Platz, um Leitungen zu verlegen und wie viel Zeit braucht dies? Frisch renovierte Straßen sollten idealerweise nicht als Erstes aufgerissen werden, so Philippi. Ihre Telefonate und persönlichen Gespräche mit dem Straßenbauamt, aber auch mit der Abwassergesellschaft werden sich häufen.
Kapital und Tiefbaukapazitäten sind gefragt
Geschäftsführer Langefeld prüft aktuell, ob nicht ein Einstieg bei einem kleinen Tiefbauunternehmen den Netzaufbau einfacher machen würde. "Wenn die Gesellschafter mitziehen, wäre dies ein guter Weg. Schließlich hätten wir in den nächsten 20 Jahren wahrscheinlich eine Vollbeschäftigung." Auch andere Energieversorger sind diesen Weg schon gegangen, nicht nur wegen neuer Wärmenetze, sondern auch wegen ihrer Stromsparte - zuletzt die Pfalzwerke, N-Ergie und Stadtnetze Münster.
Für den Aufbau des neuen Fernwärmenetzes kommen auf Frankenthal schätzungsweise 200 Mio. Euro an Kosten zu. Wo andere Stadtwerke bereits ihre Gesellschafter sensibilisieren, dass sie weniger oder sogar gar kein Geld mehr ausschütten können oder umgekehrt selbst Zuschüsse brauchen, gibt sich der Stadtwerke-Chef aus Frankenthal optimistisch. "Unser Unternehmen ist profitabel, wir werden dies aus eigener Finanzierung stemmen können." Nur in einigen Jahren auf dem Ausbaupfad wird die Kommune wohl Abstriche hinnehmen müssen.
Abwärme macht Netz grün
Glück hat Frankenthal ebenso mit den grünen Wärmequellen vor Ort. Eine große Kläranlage des Konzerns BASF könnte das Netz auf einen Schlag grün stellen. Gemeinsam mit dem benachbarten Versorger TWL arbeiten die Stadtwerke an einer Machbarkeitsstudie für Großwärmepumpen. Obwohl Frankenthal mit weniger als 100.000 Einwohnern bei der kommunalen Wärmeplanung zwei Jahre mehr Zeit hätte als der größere Nachbar Ludwigshafen, soll es schnell gehen. "Denn sonst kaufen sich die Kunden Wärmepumpen oder erneuern ihre Gasheizung und fehlen uns 20 bis 25 Jahre in unserem Netz", argumentiert Langefeld.
Von dem neuen, teuren Netz werden bei Weitem nicht alle Einwohner profitieren können. Philippi will dies schnellstmöglich kommunizieren: "Uns liegt auch am Herzen, relativ frühzeitig sagen zu können, welche Gebiete - vor allem die mit Einfamilienhäusern - wir nicht anschließen können." Kalte Nahwärme oder eine Unterstützung beim Kauf einer Wärmepumpe wären in ihren Augen Alternativen. /mt
Das gesamte Interview lesen Sie im heutigen Add-on Gas & Wärme.