Agora-Studie: Klimaschutzinvestitionen ohnehin nötig
Berlin (energate) - Im Frühjahr 2021 veröffentlichte der Thinktank Agora Energiewende erstmalig die Studie "Klimaneutrales Deutschland 2045". Nun gibt es eine Neufassung. Demnach fällt bis 2030 ein jährlicher öffentlicher Förderbedarf von 58 Mrd. Euro an. Hinzu kommen Investitionen, die aber ohnehin nötig wären. Die gute Nachricht: Strom wird dem Szenario nach zukünftig nicht teurer, selbst wenn der Verbrauch stark steigt.
Demnach bleiben die durchschnittlichen Kosten des Stromsystems für alle Verbrauchsgruppen bis 2030 relativ stabil bei 16 Cent pro kWh. Bis 2045 fallen sie auf 13 Cent pro kWh. Grund ist der starke Ausbau der erneuerbaren Energien: Bis 2045 verfünffacht sich laut Studie deren Erzeugung von 219 TWh 2023 auf 1.087 TWh. Anreize zur Elektrifizierung, wie ein vergünstigter Strompreis für Wärmepumpen und eine Unterstützung der Industrie für die Umstellung, würden dabei sicherstellen, dass sich Angebot und Nachfrage im Gleichtakt entwickeln, sind sich die Forscherinnen und Forscher von Öko-Institut, dem Wuppertal Institut, Prognos und der Universität Kassel sicher. Diese haben die Studie im Auftrag des Thinktanks erstellt.
Infolge des Erneuerbarenausbaus sinkt demnach auch die Abhängigkeit von Energieimporten um knapp 85 Prozent: von 2.474 TWh im Jahr 2019 auf 391 TWh im Jahr 2045. "Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die darauf folgende Energiepreiskrise sowie der immer stärker spürbare Klimawandel haben gezeigt, dass die Unabhängigkeit von fossilen Energien und der Übergang zur Klimaneutralität existenziell für den Schutz zentraler gesellschaftlicher Werte […] sind", heißt es dazu in der Studie.
Großteil der Investitionen ohnehin notwendig
Die Gesamtinvestitionen von 2025 bis 2045 belaufen sich laut Studie auf durchschnittlich 540 Mrd. Euro pro Jahr - etwa elf Prozent der Wirtschaftsleistung Deutschlands in diesem Zeitraum. Drei Viertel der bis 2045 erforderlichen Investitionen seien aber ohnehin nötig, so die Autoren. Denn auch ohne Klimaschutz müsse Deutschland bis 2045 massiv etwa in die Erneuerung von Gebäuden, Industrieanlagen und Verkehrsmitteln investieren, im Umfang von jährlich rund acht Prozent der Wirtschaftsleistung.
Drei Viertel der notwendigen Investitionen ließen sich zudem durch das Umlenken von Geldern weg von fossilen Technologien hin zu klimaneutralen Alternativen mobilisieren. Die darüber hinaus zusätzlich für den Klimaschutz benötigten Investitionen belaufen sich laut Studie von 2025 bis 2045 auf rund drei Prozent der Wirtschaftsleistung beziehungsweise auf 147 Mrd. Euro jährlich. Davon seien der Großteil private Investitionen. Nur ein Viertel würde auf die öffentliche Hand entfallen.
Finanzielle Unterstützung bleibt wichtig
Viele dieser benötigten Investitionen rechneten sich schon heute mit Blick auf die gesamte Lebensdauer, heißt es weiter. So seien Elektroautos trotz höherer Anschaffungskosten häufig bereits günstiger als Benzin- und Dieselfahrzeuge. Auch im Stromsystem können im Agora-Szenario die erforderlichen Investitionen in erneuerbare Energien und Stromnetze zu rund 90 Prozent aus Markterlösen und Netzentgelten finanziert werden.
Die staatlichen Gelder, die dennoch investiert werden müssten, würden überwiegend in Investitions- und Betriebskostenzuschüsse fließen, zum Beispiel im Gebäudebereich oder im Rahmen der Klimaschutzverträge. Zu einem geringeren Teil würden dadurch auch Ausgleichszahlungen für Haushalte und Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, finanziert. Beispiele sind die Strompreiskompensation und soziale Ausgleichszahlungen wie das Klimageld.
Politik-Mix aus vier Bereichen
Die Agora-Studie empfiehlt eine Mischung aus vier Politikinstrumenten. Neben preisbasierten Anreizen wie die CO2-Bepreisung empfehlen die Forscherinnen und Forscher auch Marktregulierungen, um schädliche Technologien einzuschränken und klimafreundliche Technologien zu unterstützen. Um Haushalten und Unternehmen ohne ausreichende finanzielle Mittel den Umstieg auf klimaneutrale Alternativen zu ermöglichen, brauche es auch Förderungen. Die vierte Komponente sieht die Studie beim Ausbau und der Erneuerung nachhaltiger Infrastruktur für Energie und Verkehr.
Diese Investitionen und Maßnahmen seien die Grundlage dafür, die derzeitige Schwäche der Industrie zu überwinden, so die Autoren. Zu den Maßnahmen zähle beispielsweise die direkte Elektrifizierung der Prozesswärme in der Industrie. Bis 2040 würde der Erdgasverbrauch in der Industrie so auf nahe null sinken, der Stromverbrauch sich gegenüber 2025 auf mehr als 400 TWh verdoppeln. Für die schwierigen Bereiche Stahl und Beton schlägt die Studie vor, dass die Politik die Schaffung grüner Leitmärkte für den Umstieg auf klimaneutrale Produktionsmethoden wirtschaftlich attraktiver macht.
Auch einen starken nationalen Markt für Elektrofahrzeuge fordern die Autoren, KFZ- und Dienstwagenbesteuerung müssten beispielsweise konsequent am CO2-Ausstoß ausgerichtet werden. Kaufanreize seien am ehesten für kleinere elektrische Fahrzeuge und Gebrauchtwagen sinnvoll. Im Gebäudebereich müsse die Politik einerseits gezielt fördern, um allen Haushalten den Umstieg zu ermöglichen. Andererseits schlägt die Studie klare ordnungsrechtliche Vorgaben bei der Energieeffizienz von Gebäuden vor. /ck